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Berufsvorbereitung BS F » 1. Bildungs- und Erziehungsauftrag

1. Bildungs- und Erziehungsauftrag

Im Rahmen der Berufsvorbereitung für junge Erwachsene mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden Erziehung, Unterricht und Förderung bestimmt durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, durch die Verfassung des Freistaates Bayern und durch das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen.

Der Bildungs- und Erziehungsauftrag zielt auf die Persönlichkeitsentwicklung und den Aufbau von Handlungskompetenz in Verbindung mit einer wertorientierten Grundhaltung. Zentraler Orientierungspunkt ist die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe.

Der vorliegende Lehrplan ist verpflichtende Grundlage zur Förderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Prozess der Berufsvorbereitung. Die relevanten Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz wurden bei der Entwicklung zugrunde gelegt, sodass der erfolgreiche Abschluss der Mittelschule ermöglicht wird (§32 BSO-F).  

 

Der vorliegende Lehrplan ist gültig für drei Formen der Berufsvorbereitung: 

  • das Berufsvorbereitungsjahr
  • das Arbeitsqualifizierungsjahr 
  • die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme

 

Sonderpädagogische Förderung

Die Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung unterrichtet, erzieht und fördert nach Maßgabe der Bestimmungen der BSO-F Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dieser ist durch multifaktoriell bedingte Benachteiligungen begründet und wird in einem Sonderpädagogische Gutachten nach §27 (3) VSO-F festgestellt. 

Junge Erwachsene mit sonderpädagogischem Förderbedarf befinden sich am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und erfüllen noch nicht die Anforderungen hinsichtlich Ausbildungsreife, Berufseignung und/oder Arbeitsmarktfähigkeit. Dabei zeigen sie individuelle Unterschiede im Hinblick auf die Ausprägung ihrer entwicklungsbezogenen Kompetenzen, ihrer praktischen Alltagserfahrungen sowie beruflicher Möglichkeiten und Ziele. Sie sind besonders stark von den regionalen, strukturellen und konjunkturellen Bedingungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt betroffen. Aus diesen Gründen benötigen sie individuelle Zeit- und Entwicklungsräume, in denen diagnosegeleitete Förderung verwirklicht wird. 

Junge Erwachsene mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben ein Wahlrecht zwischen den Förderorten Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung und Berufsschule (BSO-F Abschnitt 1 § 6). Sie erfüllen die Berufsschulpflicht (Art. 39(3) 4. BayEUG, §31 BSO-F) und erwerben gegebenenfalls den erfolgreichen Abschluss der Mittelschule (§ 32 BSO-F).

 

Persönlichkeits-, Demokratie- und Wertebildung

Die Begegnung mit einer Vielfalt von Wertevorstellungen in einer offenen Gesellschaft fordert eine angeleitete und gezielte Auseinandersetzung der jungen Erwachsenen mit politischen, religiösen und sozialen Zusammenhängen, um so zu einer eigenen, reflektierten Wertehaltung zu finden. Im schulischen Alltag erfahren sie die Bedeutung und Notwendigkeit eines demokratischen, achtsamen, toleranten und respektvollen Umgangs. Durch die Beschäftigung mit anderen Meinungen und Lebensweisen im gemeinsamen Schulleben erweitern Jugendliche ihren Erfahrungshorizont, ihre Bewertungsmaßstäbe sowie ihre Handlungsmöglichkeiten. Im Vordergrund stehen dabei die Förderung der Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, der Auf- und Ausbau von Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Selbstständigkeit und Selbstorganisation, Zielstrebigkeit, Problemlösekompetenz, Lern- und Arbeitsverhalten sowie die Aneignung eines den Erwartungen entsprechenden Verhaltens im beruflichen Alltag.

 

Nachhaltige Entwicklung

Bildung für nachhaltige Entwicklung will zur aktiven und selbstverantwortlichen Mitgestaltung einer verantwortungsbewussten Gesellschaft befähigen und so zu einer umweltverträglichen und gerechten Entwicklung der Welt beitragen. In diesem Zusammenhang benötigen junge Erwachsene die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven wahrzunehmen und unterschiedliche Interessen abzuwägen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung vermittelt Fähigkeiten und Werte, die es den Jugendlichen ermöglichen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu erkennen, kritisch zu hinterfragen und vorausschauende, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Neben den Zieldimensionen demokratische Politikgestaltung, ökonomische Leistungsfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit berücksichtigt Bildung für nachhaltige Entwicklung die beiden Gerechtigkeitsprinzipien der Globalität und der Generationen. 

Um der Komplexität der Themen gerecht zu werden, ist das Handlungsfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung lernbereichsübergreifend zu integrieren. Eine Teilhabe an Planungs- und Entscheidungsprozessen ermöglicht jungen Erwachsenen, eine aktive und konstruktive Rolle einzunehmen. Die Einbeziehung von und die Kooperation mit lokalen und regionalen Partnerinnen und Partnern unterstützt Lehrkräfte bei der Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele.

 

Digitale Bildung

Informations- und vor allem Kommunikationstechnik wird nicht nur zur Bewältigung des beruflichen Alltags, sondern auch zur Bereicherung und Rationalisierung der privaten Lebensführung genutzt. Der globale Zugriff auf Informationen erfordert ein hohes Maß an Medienkompetenz jedes Einzelnen. Durch aktuelle Entwicklungen entstehen kontinuierlich eine Vielzahl an neuen und veränderten Arbeitsprozessen. Junge Menschen treffen auf ein digital geprägtes berufliches Umfeld mit vielfältigen Möglichkeiten, aber auch Risiken. Medienbildung knüpft in der beruflichen Vorbereitung an das Alltagswissen und an die in den allgemeinbildenden Schulen erworbenen Kompetenzen an.

Der Einsatz digitaler Werkzeuge dient einerseits bei der Umsetzung einzelner Lernbereiche der Gestaltung eines individualisierten, orts- und zeitunabhängigen Lernprozesses. Andererseits stellt der reflektierte und werteorientierte Umgang mit digitalen Medien ein lernbereichsübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel dar und ist somit permanenter Gegenstand jeden Unterrichts. Konkrete Kompetenzerwartungen hierzu sind im Lernbereich Medienwelten in den Basismodulen (z. B. Social Web) und dem Lernbereich Berufliche Handlungsfähigkeit (z. B. Digitaler Werkzeugkasten) anwendungsbezogen verankert.

 

Sprachliche Bildung

„Bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache sind für alle Schülerinnen und Schüler die wesentliche Voraussetzung zum Lernen und für den Schulerfolg und haben daher herausragende Bedeutung bei der Verbesserung der Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit.“[1]

Sprachliche Bildung spielt auch in der Berufsvorbereitung eine zentrale Rolle. Zur Bewältigung der sprachlich-kommunikativen Anforderungen in der Schule und im Praktikum als Vorbereitung auf den Beruf werden vor allem fachgerechte Ausdrucksweise, situationsangemessene Kommunikation, kompetenter Umgang mit Fachtexten sowie formgerechte schriftliche Dokumentation erforderlich.

Zusätzlich wirken sich gestiegene Anforderungen durch den technischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel auf den Unterricht sowie das Lernen aus. Durch gezielte Förderung der sprachlichen Kompetenzen erhalten die Schülerinnen und Schüler die notwendigen Werkzeuge, um sich effektiv im Arbeitsumfeld sowie in Alltagssituationen zu orientieren und zu präsentieren, um zu kommunizieren und zu interagieren.

Die Bedeutung von Digitalisierung und digitalen Medien in der Lebenswelt der Jugendlichen erfordert im Prozess der sprachlichen Bildung neben dem Erwerb der traditionellen Kulturtechniken auch die Berücksichtigung eines veränderten Kommunikationsverhaltens.

 

Interkulturelle Kompetenzen

In der beruflichen Vorbereitung ergibt sich in besonderer Weise die Herausforderung, auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse wie Migrationsbewegungen, vielfältige Lebensentwürfe und unterschiedliche Biografien einzugehen. Bei Kontakten innerhalb der Klasse und innerhalb der gesamten Schulfamilie kommen diese Herausforderungen häufig besonders zum Tragen. Der Austausch untereinander und gemeinsame Erlebnisse eröffnen in diesem Zusammenhang wechselseitige Lernprozesse, für die der multikulturelle Lebensraum Schule genutzt werden kann.

Die Schülerinnen und Schüler entwickeln durch die Kenntnis von kulturellen, sozialen und sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden ein gegenseitiges Verständnis für die Verhaltensweisen und Normen anderer und begreifen diese als schulische und gesellschaftliche Normalität. Sie schärfen dabei ihren Blick für die die Entwicklungen in einer multikulturellen Gesellschaft, erkennen Klischees, Stereotypen und Fremdzuschreibungen und entwickeln daraus einen besonnenen Umgang mit Heterogenität.

Eine Sensibilisierung gegen ausgrenzende, rassistische und sexistische Äußerungen hilft den jungen Erwachsenen, eigene Sicht- und Handlungsweisen zu überdenken, eine kritische und wertschätzende Grundhaltung einzunehmen und respektvoll miteinander umzugehen.

Ausgehend von einer heterogenen Schülerschaft unterstützt das pädagogische Team die Entfaltung der individuellen Potenziale und interkulturellen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Mit der Einübung einer konstruktiven Konfliktkultur ohne kulturelle Zuschreibungen wird ein friedvolles und kultursensibles Zusammenleben in einer pluralistischen und globalisierten Gesellschaft gefördert.

 

Zukunfts-, Lebens- und Berufsperspektiven

Jugendliche erkennen ihre Stärken sowie Begabungen und entwickeln persönliche und berufliche Handlungsfähigkeit, Resilienz und Durchhaltevermögen. Zu diesem Entwicklungsprozess gehören die Erweiterung der Alltagskompetenzen in den Bereichen Finanzen, Ernährung, Gesundheit und Wohnen, die auf eine eigenverantwortliche Lebensführung vorbereitet, und der Erwerb einer positiven Haltung in Bezug auf Lebenszufriedenheit, Existenzsicherung und demokratische Grundwerte.

Die Schule unterstützt junge Erwachsene dabei, sich aktiv am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, Sichtweisen zu reflektieren und ihre soziale, ökologische, ökonomische, politische und kulturelle Verantwortung zu erkennen. Durch die Auseinandersetzung mit aktuellen sozialen und politischen Themen entwickeln Schülerinnen und Schüler Strategien, mit denen sie zukünftig ihre Rechte und Pflichten in Staat und Gesellschaft verantwortungsvoll wahrnehmen können.

Die Vermittlung von grundlegender medialer Bildung hilft den jungen Erwachsenen dabei, ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu steigern.

Alle Lernangebote führen dazu, dass die Jugendlichen Perspektiven in einer sich verändernden Berufs- und Arbeitswelt sowie in einer digitalisierten Gesellschaft finden können. Dabei erkennen sie auch die Bedeutung lebenslanger, kontinuierlicher Lernprozesse, die erforderlich sind, um sich an neue Herausforderungen anzupassen.

 


[1] LEITFADEN FÜR INKLUSIVEN UNTERRICHT AN BERUFLICHEN SCHULEN, München 2016, Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung

 

 

 

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